4 Scrambler für ein Halleluja …

 

Burt Munro hat einmal gesagt: „Wenn du nicht jeden Tag etwas riskierst, dann kannst du genauso als Gemüse auf die Welt kommen.“ Da hat er Recht. Aber man ist ja doch irgendwie ein feiger Hund. Risiken und Abenteuer sind relativ. Andererseits können überschaubare Risiken auch ganz schön abenteuerlich sein.

 

Freund Helmut hatte mich auf die Idee gebracht: Die Transpyrenäica, eine Roadbook-Rally die quer über die Pyrenäen vom Mittelmeer bis zum Atlantik führt. Cirka 1300 Kilometer Offroad. Schwierigkeitsgrad von „gemütlich“ bis „unerbittlich“. Eigentlich fährt man so was mit 120 Kilo leichten Hard-Enduros. Als alter Endurofahrer wusste ich, dass mich das nicht genug fordern würde. Und wenn man gerade dabei ist punktgenau in der Midlife-Crisis zu landen, dann muss MANN sich die neuen Hürden einfach höher setzen. Zeitgleich bauten JvB und LSL den Rumbler, basierend auf einer Triumph Scrambler, für die von mir organisierten Tridays.  Als ich mit dem Vorschlag kam, diese wirklich edle mit feinsten Öhlins-Komponenten aufgebaute Promotion-Maschine gleich einmal 1300 Kilometer durch den spanischen Dreck zu ziehen – und das noch vor der offiziellen Präsentation - haben mich Jens vom Brauck (JvB) und Jochen Schmitz-Linkweiler (LSL) nur noch fassungslos angesehen.

 

Damit nicht genug. Als ich einem befreundeten Regisseur von meinem Plan erzählte, meinte er, dass er genau so etwas für ein neues Motorsport-Magazin bei ServusTV suche: Ein paar verrückte Motorradfreaks machen sich selber das Leben schwer. Tolle Idee!

 

Ich musste also nur noch ein paar Verrückte finden, denen ich das Leben schwer machen konnte. Ich unterbreitete also Jens vom Brauck, Jochen Schmitz-Linkweiler und Wim Peters (Öhlins) meine anstrengende Idee: Wir würden auf  220 Kilo schweren Triumph Scramblern die Transpyrenäica fahren – und sie wären die von mir auserwählten Wahnsinnigen, mein absolutes Dreamteam. Vier Herren zwischen 41 und 62 Jahren auf Motorrädern, die genau wie sie selber - völlig ungeeignet für eine harte Roadbook-Rally wären. Vier Scrambler für ein Halleluja! Die Begeisterung hielt sich überraschenderweise in Grenzen.

 

Nachdem ich mit allen mir zur Verfügung stehenden psychischen Tricks, legalen Drogen, Appellen an die Männerehre,  sinnlosen Versprechungen, geschickten Verharmlosungen und unterwürfigen Terminverschiebungen die drei endlich gegeneinander ausgespielt hatte, konnte der Wahnsinn beginnen! Triumph Deutschland stellte uns großzügigerweise vier Scrambler zur Verfügung und schon ging es mit dem Umbau los. Wir wollten die Motorräder individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse abstimmen und so entstanden vier völlig unterschiedliche Kreationen. Nach einem halben Jahr an intensivem Motorrad- und dezentem Körpertuning ging es im Mai schließlich los.

 

Allein die Logistik war schon ein Abenteuer. Wenn ein Filmteam irgendwo aufschlägt, dann muss man sich das in unserem Fall so vorstellen: Du brauchst allein einen Transporter nur für das Equipment, auf deinem Motorrad sind immer ein oder zwei kleine Kameras montiert, der Regisseur und ein Kameramann begleiten dich auf leichten Hardenduros, ein weiterer Kameramann sitzt mitsamt Guide, Tonmann und Produktionsleiter in einem Jeep und stößt immer an den vereinbarten und befahrbaren Stellen dazu. Organisiertes Abenteuer könnte man jetzt sagen. Eher organisierten Chaos! Aber man kommt sehr viel zum üben. Man muss ja für die verschiedenen Einstellungen jeden Steilhang xmal rauf- und runterfahren. Und man muss nach einen harten, anstrengenden 10- bis 12stündigen Ritt über die Pyrenäen auch noch Statements für die Kamera abgeben, obwohl man sich nach nichts anderem als einer heißen Dusche sehnt. Ein echtes Abenteuer. Mag komisch klingen. Aber das war es wirklich. Es war richtig geil. Und es war auch richtig kalt und nass und heiß und unerbittlich. Und manchmal sogar gemütlich. Und unvergesslich. Achja, und gehagelt hat es auch. Wenn man im Mai nach Spanien fährt, dann rechnet der Laie eigentlich mit allem, nur nicht mit Schnee und Kälte. Aber wenn du dich auf über 2000 Meter rauf in die Berge kämpfst, dann kann dir das auch in Spanien oder in Andorra oder in Frankreich passieren. Aber wir wollten ja richtig was erleben. Und aus irgendeinem Grund glaubt der Mensch ja, dass zu einem richtigen Abenteuer auch richtig leiden gehört. Also haben wir gelitten. Manchmal würdevoll, manchmal weniger würdevoll und manchmal ganz heftig mit einen guten Glas Rotwein in der Hand. Wir sind durch traumhafte Gegenden gefahren, haben grandiose Berge überquert und manchmal ist uns einfach nur die Luft weggeblieben vor lauter Bewunderung für die Schönheit der Pyrenäen. Irgendwie erinnert diese Gegend an die Dolomiten – nur ohne Autos. Denn wenn man sich auf die kurvigen Straßen verirrt, ist man dort fast genauso einsam wie im Gelände. Und dank EU-Förderung sind die Straßen im besten Zustand.

 

Als wir schließlich völlig erschöpft den Atlantik erreichten, waren wir ein paar Kilo leichter, ziemlich dreckig und richtig dicke Freunde. Wir hatten eine Idee und hatten es nicht dabei belassen. Wir hatten ein halbes Jahr Vorbereitungen und Anstrengungen auf uns genommen um dieses Abenteuer zu erleben. Vor der Glotze sitzen und Fußball schauen kann auch sehr nett sein, aber eine Tour wie diese bleibt unvergesslich. Die meisten Fußballmatches eher nicht. 

 

Neulich in der Tiroler Tageszeitung
Neulich in der Tiroler Tageszeitung
„Ich will das Leben spüren“
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